Kompendium - Windenergie
In diesem Teil werden die Grundlagen der Windenergie beschrieben. Außerdem wird auf den aktuellen Stand der Windenergie in Deutschland eingegangen.
Was ist Windenergie?
Im Grunde ist die Idee ganz einfach: die Energie der bewegten Luft nutzen.
Die technische Nutzung der Windenergie ist sicherlich keine neuartige Idee. Schon die alten Perser nutzten 644 n.Chr. die Kraft des Windes, um Getreide zu mahlen [Hau-, 2014, 978-3540721505].
Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann die erste Windenergieanlage (WEA) vom Dänen Poul la Cour erfunden. Das Ziel war es, ländliche Regionen Dänemarks mit elektrischer Energie zu versorgen.
Heute gehört die Windenergie in Deutschland zu dem Energieerzeuger mit dem größten Anteil am deutschen Strommix.
Doch wie viel Energie ist denn überhaupt in der bewegten Luft enthalten? Für die Antwort kommen wir leider nicht um ein bisschen Rechnen rum.
Unsere Luft ist nichts anderes als eine Ansammlung von Molekülen. Zur Vereinfachung bezeichnen wir die Ansammlung einfach als „Teilchen“. Bewegen sich diese Teilchen, kann die Bewegungsenergie – also die Windenergie – genutzt werden.
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Die kinetische Energie der Teilchen wird beschrieben durch:
Dabei entspricht "m" in kg der Luftmasse, und "v" in m/s entspricht der Geschwindigkeit.
Zur Berechnung der in der bewegten Luft enthaltenen Leistung – also der zeitlichen Ableitung der Energie – wird:
herangezogen. ρ gibt dabei die Luftdichte in kg/m² an.
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Der Physiker Albert Betz hat nun herausgefunden, dass dem Wind maximal 59 % Leistung entnommen werden können. Dies hat damit zu tun, da es bei 100 % Leistungsentnahme zu einem Luftstau kommen würde. Entsprechend ändert sich die Formel zur Berechnung der in der Luft enthaltenen Leistung um den Faktor cp mit dem Wert 0,59 zu:
In der Praxis wird ein realer Leistungsfaktor von rund 0,5 erreicht.
Möchte man nun Leistung, bzw. Energie mit einer WEA erzeugen, gibt es im Grunde zwei Parameter, welche beeinflusst werden können. Nämlich die Fläche A, indem die umschlossene Kreisfläche einen höheren Radius durch längere Rotorblätter bekommt und die Windgeschwindigkeit v. Aber wie kann jetzt die Windgeschwindigkeit verändert werden?
Direkt geht das natürlich nicht. Aber je höher die WEA errichtet werden, desto stärker und laminarer strömt entsprechend auch die Luft.
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Je hügeliger und „rauer“ die Oberfläche ist, desto stärker wird der Wind auch durch das Gelände abgebremst. Es werden dafür Geländetypen in sogenannte Rauhigkeitsklassen eingeteilt. Die Rauhigkeitsklassen geben an, ab welcher Höhe die Windgeschwindigkeit – aufgrund des Geländes – theoretisch den Wert 0 erreicht.
Quantifiziert wird das Ganze dann durch die Rauhigkeitslängen. Über einer großen Wasserfläche – Rauhigkeitsklasse 0 – ist die Rauhigkeitslänge 0,0002 m. Das heißt, dass ab einer Höhe über dem Wasser von unter 0,0002 m die Windgeschwindigkeit theoretisch 0 ist. Großstädte mit hohen Gebäuden und Wolkenkratzern hingegen haben eine Rauhigkeitslänge
von 1,6 m [1].
Entsprechend nimmt die Windgeschwindigkeit nach Hellmann – auch in Abhängigkeit der Rauhigkeitsklassen – mit der Höhe exponentiell zu [Hau-, 2014, 978-3540721505].
Das ist auch der Grund, wieso die WEA in Norddeutschland tendenziell niedriger sind, als in Süddeutschland. Aufgrund der höheren Rauhigkeit im Süden, müssen die Anlagen höher gebaut werden, sodass eine wirtschaftliche Windernte stattfinden kann.
Unterschied On- und Offshore
Grundsätzlich wird zwischen den Vertikalachsen- und Horizontalachsen-WEA unterschieden, wie dies die folgende Abbildung zeigt [2].
Zur wirtschaftlichen Energieerzeugung werden allerdings heute fast ausschließlich die Horizontalachsen-WEA aufgrund der Effizienz, Wirtschaftlichkeit und technischer Verfügbarkeit eingesetzt. Aus diesem Grund wird in diesem Artikel auch nur auf den erwähnten Typ eingegangen.
Grundsätzlich wird zwischen der On- und Offshore-Windenergie unterschieden.
Onshore-WEA werden an Land errichtet. Sie haben den Vorteil, dass die Energie quasi ohne großen technischen Aufwand verfügbar gemacht werden kann. Außerdem ist die technische Errichtung dieser Anlagen weniger herausfordernd.
Offshore-WEA werden auf dem Meer errichtet. Typischerweise werden bis zu einer Wassertiefe von ca. 100 m sogenannte Monopiles – die Fundamente der Anlagen – in den Meeresboden gerammt. Auf diese werden die WEA aufgesetzt. Da die Windparks oft große Entfernungen zur Küste haben, wird der erzeugte Wechselstrom zunächst in Gleichstrom gewandelt, über Seekabel an Land geführt und dort wieder in Wechselstrom gewandelt. Die Idee dahinter ist, möglichst effizient die Leistung zu transportieren. An den Landstationen erfolgt schließlich die Einspeisung ins Übertragungs- oder Verteilnetz.
Die Vorteile der Offshore-Windenergie liegen trotz des hohen technischen Aufwands auf der Hand. Auf der See sind die Windbedingungen quasi perfekt und der Mensch wird durch die Anlagen auf dem Wasser in der Regel nicht beeinflusst, was große Windparkprojekte erleichtert.
Stand der Windenergietechnik
Nach den Energy Charts des Fraunhofer-Instituts, sind im Februar 2024 rund 61,2 GW WEA Onshore installiert [3]. Das entspricht nach der WindGuard GmbH knapp 29.000 WEA [4].
Damit wurden im Jahr 2023 ca. 116 TWh elektrische Energie erzeugt. Damit ist die Onshore-Windenergie mit 26,8 % am deutschen Strommix die Energiequelle mit dem größten Anteil in Deutschland [5].
Entsprechend waren bis zum Februar 2024 ca. 8,5 GW Leistung in Windenergie Offshore installiert. Das entspricht nach [6] aus dem Jahr 2023 ca. 1.500 Anlagen, mit einem Beitrag von 5,54% am deutschen Strommix, mit ca. 23,5 TWh [5].
Die technische Entwicklung von WEA ist bemerkenswert. Erste Anlagen in den 80er Jahren hatten eine installierte Leistung von 30 kW [7]. Heutige Onshore-Anlagen haben Leistungen bis zu knapp
8 MW. Neuartige Offshore-Anlagen erreichen sogar Leistungen bis zu 18 MW!