Kompendium - Energieversorgung
In diesem Teil werden die Grundlagen der elektrischen Energieversorgung erklärt, wie unser Energiesystem aufgebaut ist und welche Herausforderungen uns die Energiewende bringt.
Was ist überhaupt Energie?
Allgemein gilt, Energie ist das Potential, Arbeit zu verrichten. In der Physik wird zwischen verschiedenen Energieformen unterschieden, nämlich der
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Bewegungsenergie
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Lageenergie
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Wärmeenergie
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Elektrische Energie
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…
Das Wichtige dabei ist, dass Energie nicht verloren gehen kann. Energie wird immer nur in eine andere Energieform umgewandelt. Während die Energie in eine andere Energieform gewandelt wird, kann diese technisch genutzt werden.
Als Veranschaulichung wird nun von einem Wassertank ausgegangen.
Das Wasser hat entsprechend eine potentielle Lageenergie. Wird nun das Wasser über ein Ventil abgelassen, wandelt sich die Lageenergie zur Bewegungsenergie. Die Bewegungsenergie des Wassers kann in Rotationsenergie umgewandelt werden. Diese Rotationsenergie kann bspw. einen elektrischen Generator antreiben, welcher die Rotationsenergie wiederum in elektrische Energie umwandelt. Am Ende der Umwandlungskette wird umgangssprachlich „Energie aus dem System gezogen“. Damit ist technisch aber gemeint, dass Arbeit verrichtet wird.
Nun kennen wir die Größen: Energie und Arbeit. Aber was ist dann die Leistung?
Die Leistung ist im Grunde die Momentaufnahme der verrichteten Arbeit. In der Physik würde man von der zeitlichen Ableitung der verrichteten Arbeit sprechen. In diesem Beispiel des Wassertanks wäre die Leistung das Produkt der Größe des Wasserstromes und der Geschwindigkeit eines bestimmten Zeitpunktes – also quasi der „Stärke“ des Wasserstromes.
Bezogen auf die Elektrizitätslehre kann die Leistung [P] – also die Momentaufnahme der Arbeit – über das Produkt von elektrischer Spannung [U] und elektrischem Strom [I] nach:
berechnet werden. Die elektrische Arbeit entspricht dem Produkt von der Leistung und der Zeit, nach:
oder entsprechend in integraler Form:
Elektrische Energie heute
Nutzen wir heute Energie, wird diese meist durch die Elektrizität bereitgestellt. Die Energie kommt dabei in Form von elektrischer Energie typischerweise „aus der Steckdose“. Die elektrische Energie kann dabei genutzt werden, um bspw. Wasser zu erhitzen, Musik zu hören oder den Motor eines Elektrofahrzeuges zum Laufen zu bringen.
Die elektrische Energie oder Elektrizität ist eine sehr „edle“ Energieform, da sie ziemlich effizient transportierbar ist und weil die elektrische Energie in alle relevante Ausgangsenergien gewandelt werden kann.
Aber wie kommt denn der Strom in die Steckdose?
Dass der Strom tatsächlich immer und zu jeder Zeit verfügbar ist, ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint. Daher soll nun darauf eingegangen werden, wie denn im konventionellen Energiesystem – ohne erneuerbare Energien – der Strom transportiert wird.
In unserem konventionellen Energiesystem gibt es große Kraftwerke, welche aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe, wie Kohle, erst einmal Wasser erhitzen. Der dabei entstehende Wasserdampf treibt Turbinen an. Diese Turbinen treiben schließlich große Generatoren an.
Also: aus fossiler (chemischer) Energie wird Wärmeenergie, daraus über die Turbine Rotationsenergie und diese Rotationsenergie wird in elektrische Energie gewandelt. Die erzeugte elektrische Energie (ja, in der Technik spricht man verwirrenderweise von „Energieerzeugung“) wird dann über Transformatoren die Spannung auf höhere Spannungsebenen transformiert, um die Verluste möglichst klein zu halten. Warum?
Wenn die Leistung [P] konstant bleibt, aber die Spannung [U] größer wird, muss der Strom [I] durch den Leiter, welcher auch als elektrischer Widerstand [R] verstanden werden kann, also kleiner werden. Formelmäßig sieht das so aus:
Also: Je kleiner der Strom, desto kleiner sind auch die Verluste.
In der sogenannten Höchstspannungsebene, mit typischerweise 380 kV, wird die elektrische Energie über große Distanzen – bis hin zu Ländergrenzen – transportiert. Man spricht auch von Übertragungsnetzen. Regionalere Netze haben entsprechend kleinere Spannungsebenen. So hat die Hochspannungsebene noch 110 kV. Wird die Energie innerhalb von Kommunen und Städten verteilt, wird oft auf die Mittelspannungsebene von 20 kV heruntertransformiert. In zentralen sogenannten Ortsnetzstationen (ONS) wird dann die Spannung auf die Niederspannungsebene – für uns Hausverbraucher – auf 0,4 kV, bzw. vereinfacht auf 230 V transformiert. Das ist dann die Spannung, welche dann bei uns an der Steckdose anliegt.
Die folgende Abbildung zeigt die Kette der Spannungsebenen.
Nun haben wir aber einen ganz entscheidenden Faktor vergessen! Nämlich die Frequenz von 50 Hz (Hertz).
Die Frequenz von 50 Hz sagt streng genommen aus, dass sich irgendetwas 50-mal pro Sekunde, bzw. 3000-mal pro Minute dreht. Und das sind dann entsprechend die Generatoren in den Kraftwerken. Dabei gibt uns die Frequenz eine direkte Aussage darüber, wie viel – nicht Energie, sondern – Leistung aktuell erzeugt und gleichzeitig auch verbraucht wird. Man kann sich das wie eine Waage vorstellen [1]:
Sinkt die Frequenz unterhalb von 50 Hz, bedeutet das direkt, dass sich die Generatoren langsamer drehen, als sie sollten. Das heißt, dass am Generator-Ausgang mehr Leistung bezogen wird, als dem Generator zugeführt wird. Der Generator bremst. Wenn hingegen die Frequenz steigt, wird dem Generator weniger Leistung entzogen, als am Eingang zugeführt wird. Der Generator beschleunigt. Beide Betriebszustände können ab einem definierten Schwellwert zur Zerstörung des Generators führen. Aus diesem Grund muss zu jedem Zeitpunkt sichergestellt sein, dass die Frequenz im zulässigen Bereich liegt!
Energiesystem in Zeiten der Energiewende
Das Energiesystem ist durch die Energiewende im Wandel, wie dies die folgende Grafik zeigt.
Weg von fossilen – zentralen – Kraftwerken und hin zu dezentralen Kraftwerken – nämlich zur Windenergie und Photovoltaik (PV). Im Grunde ist die Energiewende wichtig und richtig! Aber es ist nicht damit getan, einfach die zentralen Kraftwerke – welche eine hohe Volllaststundenzahl haben – einfach durch Windenergieanlagen und PV-Anlagen zu ersetzen. Das würde zwar von der installierten Leistung her recht einfach funktionieren, aber die Windenergie und PV ist dargebotsabhängig. Das heißt, die eingespeiste Leistung ist abhängig vom Wetter und den Tages- und Nachtzeiten. Also was, wenn die Sonne untergeht und plötzlich die PV-Energie fehlt oder wenn mal eine Flaute kommt und die Windenergie wegbricht, aber in beiden Fällen die Verbraucher maximale Last beziehen? Was, wenn die Sonne scheint oder ein Sturm durch’s Land zieht, aber nicht genügend Leistung verbraucht wird?
Diese Szenarien sind sicherlich nicht unrealistisch. Allerdings kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sich die Windenergie und die Photovoltaik zumindest jahreszeitlich bedingt gut ergänzen. Die folgende Grafik zeigt einen beispielhaften Einspeiseverlauf von Sonne und Wind, des Jahres 2020 [2].
Dennoch bedarf es gerade bei Dunkelheit oder Flaute der Nutzung von geeigneten „Lückenfüllern“ – wie Batteriespeichern oder schnellanlaufenden (Wasserstoff-)Gaskraftwerken. Entsprechend bei einem Energieüberschuss können Speicherressourcen „geladen“ werden – also mittels Elektrolyseverfahren kann Wasserstoff hergestellt werden oder Batteriespeicher können geladen werden. Auch der intelligente Verbrauch erneuerbarer Energie und eine intelligente Energieverteilung tragen dazu bei, die Energiewende aus netzseitiger Sicht entlastender zu gestalten.